31.01.2023

Auf Zukunft gegründet

Nachhaltigkeit News Veranstaltungen

© Claudia Paulussen / DKJS

Schüler:innenfirmen wirtschaften mit guten Ideen und Herzblut. Aber macht sie das automatisch nachhaltig? Beim Ideenlab in Potsdam gaben 50 Schüler:innen aus Brandenburg ihren Zielen und Kompetenzen neuen Schub.

Lässt sich mit gesunden Snacks ein gesundes Unternehmen aufziehen? Wann ist eine Bienenwaage eine nachhaltige Investition? Wie funktioniert eine Firma, die ihre Leistungen verschenkt? Mitte November erhoffen sich fünf Schüler:innenfirmen aus Brandenburg Antworten beim Ideenlab in Potsdam. Vom nachhaltigen Catering über Lavendelprodukte bis hin zu Nachbarschafts- und Seniorenhilfe verfolgen diese Firmen völlig unterschiedliche Ansätze. Doch stehen die Schüler:innen alle vor der gleichen Frage: Kann ein Unternehmen mehr schaffen als Profit für wenige Beteiligte – nämlich eine nachhaltige Lösung für drängende gesellschaftliche Herausforderungen?

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Nachhaltiger Honig – der für fast alles ein Auto braucht

„Bis jetzt sind wir einfach eine kleine Firma mit vier Bienenvölkern. Nachhaltiger Honig ist unser Produkt“, sagt Anton von The Bee-Holders am Jahngymnasium in Rathenow. Doch immer mehr Fragen rund um Wachstum und Entwicklung tauchen auf. Gibt es noch Kapazität für weitere Bienenvölker? Soll die Firma auch Bildungsprojekte rund um die Biene machen? Und wie passt es zum nachhaltigen Ansatz, dass es für fast alle Arbeiten an den Bienenstöcken ein Auto braucht? „Es gibt viele Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Wir hoffen hier auf gute Anregungen.“

Die Bee-Holders werden von Kobranet beraten, die Teil des Netzwerks Startup Zukunft! der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung sind. Das Programm der Stiftung organisiert fünf Ideenlabs, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Veranstaltungen bieten im Herbst 2022 den Raum, sich mit Zukunftsfragen zu beschäftigen. Die Ideenlabs arbeiten nach dem Ansatz „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE). „Es geht darum, jungen Menschen ein grundlegendes Verständnis zu vermitteln, dass und wie sich ihr Handeln auf die Welt auswirkt. Das ist die Voraussetzung, zukunftsorientiert und nachhaltig zu denken. Die passenden Lösungen finden sie selbst“, sagt Ellen Wallraff, Programmleiterin bei Startup Zukunft!

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Wie Schüler:innenfirmen Zukunftskompetenzen fördern

Das setze wichtige Zukunftskompetenzen voraus: kreatives Denken, Zusammenarbeit, Kommunikation. Über Schüler:innenfirmen ließen sich diese Kompetenzen besonders gut vermitteln, so Ellen Wallraff. „Die jungen Menschen entwickeln Ideen für Produkte oder Dienstleistungen mit Mehrwert und erhalten dazu direkte Rückmeldungen. Sie verstehen immer besser, was ihr Umfeld braucht und was sie mit ihren Schüler:innenfirmen dazu beitragen können.“

Die erste praktische Aufgabe im Ideenlab Potsdam zielt daher auf eine Frage, die sich jedes Unternehmen stellen muss. Was ist Erfolg und woran messen wir ihn? An Umsätzen? An sozialen Effekten wie Neues zu lernen und gemeinsam ein sinnvolles Ziel zu erreichen? Schnell zeigt sich: Die Schüler:innenfirmen haben sich darüber bislang kaum verständigt. Viel Diskussion gibt es an den einzelnen Tischen, bis die Einordnung vollzogen ist.

Was genau meint eigentlich „Erfolg“?

Wichtigste Erkenntnis: Ökonomischer und sozialer Erfolg schließen einander nicht aus. Aber beides kann sich spannungsvoll aufeinander beziehen. Das zeigt auch die zweite praktische Aufgabe: die Qualität der eigenen Produkte und Prozesse zu erfassen. Was stellen wir her, mit welchen Ressourcen und wie? Wer sind unsere Kund:innen und wie erreichen wir sie? Sind die Abläufe so organisiert, dass das Ziel überhaupt erreicht werden kann?

Das ist für viele neu. „So strategisch haben wir noch nicht geplant“, sagt Annabella von der Schüler:innenfirma Lila-Lunchtime der Oberschule in Brück. Auch die Schüler:innen der Exin-Oberschule in Zehdenick sind hin und hergerissen. Ihre Firma ist sozialer Dienstleister, der für unterschiedliches gebucht werden kann: Lernhilfe in der Förderschule, Plauderzeit im Altenheim, Einsatz im Stadtgarten, Kuchenbacken für den guten Zweck. Dafür erhält die Schule Fördermittel. Wachsen oder Gewinne erzielen wolle die Firma nicht, sagt Julian aus der 9. Klasse. „Uns reicht die Anerkennung.“

Anders sieht das Maurice von der SnackOSZ aus Frankfurt/Oder: „Natürlich wollen wir Geld verdienen. Dafür sind Unternehmen da. Aber wir fragen uns, wie wir dabei nachhaltiger werden können.“

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Wachstum braucht eine neue Definition

Richard Häusler von der Agentur stratum sagt: „Ihr könnt beides zusammendenken.“ Ihm geht es um eine neue Art zu wirtschaften, die eigene Ziele so gut wie möglich mit gesellschaftlichen Zielen verbindet. „Von eurer Generation wird erwartet, dass sie die Welt rettet. Das geschäftliche Wachstum eurer Schülerfirma verbindet sich dadurch direkt mit eurem Beitrag für eine bessere Gesellschaft.“ Und: Wachstum sei etwas, das jede Firma selbst mit ihrem Umfeld aushandeln muss.

Wie das gehen kann, zeigt die dritte praktische Übung: Die Schüler:innen sollen ihre Angebote in die 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung einordnen. Wo sind diese Ziele schon erfüllt, wo lassen sie sich mit wenig Aufwand noch besser erreichen? Die Lavendelkinder der Wilhelm-Busch-Grundschule in Königs Wusterhausen denken darüber seit längerem nach. Seit elf Jahren produziert und verkauft die Schüler:innenfirma Gelees, Zucker, Seife oder Marzipan mit Lavendel, den die Kinder größtenteils selber im Schulgarten anbauen. Gleich am Anfang steht die Hygienekontrolle in der Schulküche. „Da wussten wir, dass wir das Projekt professionell aufziehen müssen“, sagt Lehrerin Ina Kiewel.

Wirtschaftliches Handeln: Mehr als Geld verdienen

Seither habe sie zusammen mit den Schüler:innen immer besser verstanden, was alles unter wirtschaftliches Handeln fällt. Zeit und Geld zu investieren, damit andere sich nicht an schlechten Lebensmitteln vergiften – wirtschaftliches Handeln. Das lokale Kaufhaus zu überzeugen, Lavendelzucker und Lavendelseife ins Sortiment aufzunehmen – wirtschaftliches Handeln. Mit solchen und ähnlichen Angeboten das Stadtzentrum mehr zu beleben – wirtschaftliches Handeln. „Wir alle handeln überall wirtschaftlich. Am besten bringen wir unseren Kindern bei, das so bewusst wie möglich und mit Blick auf ihr Umfeld zu tun. Das kommt sonst in der Schule zu kurz“, so Ina Kiewel.

Am Ende bleibt eine halbe Stunde Zeit, die Ergebnisse der dritten Runde vorzustellen. Aldo Stephan von der Stiftung Bildung ist nach Potsdam gekommen. Gefördert durch das BMBF vergibt die Stiftung Bildung Fördermittel an Schüler:innenfirmen, damit diese in Nachhaltigkeit investieren können.

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Wie eine smarte Bienenwaage Wege spart – und was die Bee-Holders damit machen wollen

Schnell zeigt sich: Alle anwesenden Schüler:innenfirmen sind an diesem Tag ein Stück gewachsen. Die Bee-Holders etwa haben sich entschieden, Mittel für ein Transportfahrrad zu beantragen, um möglichst oft auf das Auto verzichten zu können. „Außerdem wollen wir eine smarte Bienenwaage anschaffen“, sagt Anton. „Sie sendet Daten zum Gewicht der Bienenstöcke an ein Smartphone. Dadurch sehen wir, wann wir den Honig ernten können, ohne dass wir ständig zu den Völkern fahren müssen.“ In der gesparten Zeit ließen sich die angedachten Bildungsprojekte umsetzen. Aldo Stephan hebt den Daumen. „Ich denke, dass ihr gute Chancen habt.“