„Wer etwas verbessert, handelt immer auch unternehmerisch“ – Interview mit Richard Häusler von Stratum

© Claudia Paulussen / DKJS

Der Soziologe Richard Häusler ist Gründer der Agentur Stratum in Berlin und hat das Ideenlab in Potsdam moderiert. Seit vielen Jahren begleitet er Energieprojekte an Schulen. Eher zufällig sind daraus erste Schüler:innenfirmen entstanden. Seither fragt er sich: Wie führt unternehmerisches Handeln bei jungen Menschen zu mehr Selbstwirksamkeit?

Herr Häusler, wie würden Sie ganz einfach erklären, was Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist?

Nachhaltigkeit ist ja seit langem ein großes Thema und relevant für fast alle Schulfächer. Bei BNE kommt hier noch ein stark handlungsorientierter Ansatz hinzu. Schülerinnen und Schüler erhalten beispielsweise den Auftrag, die Energiebilanz ihrer Schule zu verbessern und dazu Unterstützung von außerschulischen Partnern. Dann merken sie, dass es nicht um Schulstoff geht, sondern um eine gemeinsame Erfahrung, die Spaß macht. Wenn dann im Umfeld der Schule noch alle mitmachen, von der Schulleitung über den Hausmeister bis zu gesellschaftlichen Akteuren, dann merken die jungen Menschen: Das hat auch was mit meinem Leben zu tun. Ich kann etwas verändern und besser machen. Genau das will BNE vermitteln.

Sie haben schon viele Schüler:innenfirmen kennengelernt. Welche Idee hat Sie so richtig von den Socken gehauen?

Ich habe viele gute Ansätze gesehen. In Potsdam gab es zum Beispiel die Bee-Holders, da sehe ich viel Potenzial und unternehmerischen Elan. Diese Schülerfirma stellt die richtigen Fragen: Was ist unser Beitrag für die Gesellschaft? Wie können wir unsere Wirkung vergrößern? Wie erreichen wir mögliche Partnerinnen und Partner? Wachstum heißt, sich immer mehr zu engagieren.

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Viele junge Klimaaktivist:innen stehen dem Weltwirtschaftssystem kritisch gegenüber und möchten es am liebsten überwinden, um den Planeten zu retten. Sie sagen: Werdet Unternehmer:innen, um eine nachhaltige Gesellschaft schaffen. Wie passt das zusammen? 

Also, ich erlebe junge Menschen in der Regel nicht so wirtschaftskritisch. Viele Schülerinnen und Schüler haben ein hohes Konsumniveau. Sie wollen nicht verzichten. Sie sehen Wirtschaft sehr sachlich, mit den Licht- und Schattenseiten, die dazugehören. Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft macht ja sehr faszinierend vor, dass Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit kein Widerspruch sind. Wir sollten das systematisieren und uns im größeren Stil fragen, wie und mit welchen Trägern wir diese Ansätze an den Schulen unterstützen können. Da sollte es nicht um Ideologie gehen, sondern um Erfahrungswelten.

Welche Idee von Wirtschaft können Schüler:innenfirmen jungen Menschen vermitteln?

Unternehmerisches Handeln bedeutet im Kern, selbst Ideen in die Welt zu setzen, sich Ressourcen zu erschließen und zu schauen, wie wir mit der Welt reden müssen, damit sie mitmacht. Schülerfirmen vermitteln damit Schlüsselkompetenzen: Warum lerne ich überhaupt in der Schule? Wie erziele ich eine Wirkung? Welche Lösungen finde ich und wie kann ich mich am besten dafür engagieren, dass meine Vorschläge auch ausprobiert werden? Im Grunde ist das alles Selbstwirksamkeitstraining.

Gibt es eine Idee, die ungeeignet ist, um eine Firma daraus zu machen?

Prinzipiell nicht. Wir hatten ja in Potsdam auch das soziale Unternehmen der Exin-Oberschule. Die Schülerinnen und Schüler wollen zwar kein Geld verdienen, aber damit handeln sie nicht unwirtschaftlich. Auch ein soziales Unternehmen sollte sich fragen, wie es die eigene Wirkung erhöhen kann. Sich mit den eigenen Zielen auseinandersetzen, den eigenen Ansatz skalieren, das Handlungsfeld mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel in der Pflege verbinden: Wer etwas unternimmt, um eine Situation zu verbessern, handelt unternehmerisch.

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Wann funktionieren Schüler:innenfirmen und BNE am besten zusammen?

Meiner Erfahrungen nach entwickeln sich die Firmen auch langfristig nachhaltig, in denen die Schülerinnen und Schüler so selbstständig wie möglich sind. Wichtig sind außerdem Kooperationen außerhalb der Schulhofmauern, die begleiten und unterstützen, also eine gute Anbindung an das Umfeld, in dem eine Schülerfirma einen Mehrwert schaffen will. Bei Lehrkräften sehe ich eher eine begleitende und moderierende Rolle. Sie könnten sich gut noch stärker zurücknehmen und darauf vertrauen, dass die Schülerinnen und Schüler mit ihren Erfahrungen gut umgehen werden.